The Sound of Insects

 

Schweiz 2009

 
 
The Sound of Insects

Regie: Peter Liechti
Drehbuch: Peter Liechti
Kamera: Matthias Kälin, Peter Liechti
Schnitt: Tania Christina Stöcklin
Musik: Norbert Möslang
Ton: Balthasar Jucker
 
DCP, 35mm - Farbe - 88 Minuten
Deutsch (auch erhältlich: Englisch/fUT)

 
   
 

"THE SOUND OF INSECTS – Record Of A Mummy" ist keine Literatur-Verfilmung, sondern die filmische Inszenierung eines literarischen Textes.
 
Der dramatische Monolog des Selbstmörders X ist an niemanden gewandt, ist weder deskriptiv noch retrospektiv, sondern ganz auf den Moment bezogen. Da ist kein Lamento, kein Selbstmitleid, keine Sentimentalität, im Gegenteil, manchmal scheint gar eine unterschwellige (Selbst-)Ironie durch. Der Text drängt einem nichts auf, vertritt keine Moral und verzichtet auf jede Wertung; gerade dadurch trifft er sehr direkt.
 
X's Herkunfts-/Geschichtslosigkeit, seine Anonymität ist auch Chiffre für die allgemeine Entfremdung des Menschen in der globalisierten Welt; die Austauschbarkeit der wenigen "Charakteristika" seiner Persönlichkeit entspricht dem Lebensgefühl in einer durch und durch materialistischen Gesellschaft. Zum lebendigen, fassbaren Individuum – auch für sich selbst – wird er erst durch seine ausserordentliche Leidensfähigkeit und den monströsen Masochismus seiner Tat. Gerade der Selbstmord durch Verhungern sei eine höchst persönliche Todesart, schreibt X in sein Tagebuch, weil man so für lange Zeit nur mit sich beschäftigt sei.
 
Der Akt des unbekannten Toten stellt schliesslich auch eine Form radikalster Verweigerung dar: Totaler Rückzug aus dem Getriebe der Leistungs-Gesellschaft, die vollkommene Verweigerung des Konsumierens, des Mitmachens, der Hetzerei in diesem Leben.
Die unterschwellige Kritik am zeitgenössischen Materialismus ist evident. Shimada stellt damit die klare Forderung, selber eine Haltung einzunehmen gegenüber der einmaligen Möglichkeit des Lebens. Die Abwesenheit jeglicher Stellungnahme durch den Autor bietet keinerlei Trost oder Versöhnung, sondern überlässt die Antworten auf die irritierenden Fragen ganz allein dem Zuschauer.
 
Darin liegt für mich die tiefere Provokation dieser Geschichte; sie weckt nicht nur Mitgefühl, sondern vor allem - ohne jedes Moralisieren – das Bedürfnis, zu widersprechen und den Wert des eigenen Menschseins zu behaupten.

   
 

«Der mit einer Werkschau gewürdigte Schweizer Regisseur stützt sich darin auf einen Text des japanischen Autors Shimada Masahiko: Ein Mann sucht sich einen Platz zum Sterben, inmitten eines Waldes, wo ihn niemand finden kann.
 
Er möchte sich zu Tode hungern - ein Fanal für ein unbedeutendes Leben, wie er einmal sagt. In assoziativen Bild- und Tonmontagen überlagern sich in The Sound of Insects Naturaufnahmen mit traumartigen Visionen, die durch einen trockenen Off-Kommentar geerdet sind. Liechti gelingt es auf diese Weise, eine Grenzerfahrung greifbar zu machen - paradoxerweise mit Bildern, die voll irdischer Schönheit sind.» Der Standard, Wien

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